1.000.000 € Schmerzensgeld

Klinik und handelndes Personal haften für schwerste Hirnschäden nach verschlucktem Apfel

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
17 Aug. 2021

Das Landgericht Limburg (LG) hatte kürzlich zu entscheiden, ob ein Patient (Kläger) Schadensersatzansprüche aus einer behaupteten fehlerhaften ärztlichen bzw. pflegerischen Versorgung geltend machen kann, durch die er infolge eines hypoxischen Hirnschadens unter anderem an einer Epilepsie leidet.

 

Zum Urteilsfall: Der damals einjährige Patient war am 22.12.2011 wegen eines Infekts stationär eingewiesen worden. Am 26.12.2011 sollte er über einen Portzugang ein Antibiotikum erhalten. Dies regte den Kläger derart auf, dass er sich an einem zuvor gegessenen Stück Apfel verschluckte und infolgedessen schwerste Hirnschäden erlitt.

 

Nach der Beweisaufnahme war die Kammer davon überzeugt, dass die Krankenschwester bei der Gabe der Antibiose wusste, dass der Kläger erst kurz zuvor gegessen hatte. Sie hätte daher länger mit der Gabe des Medikaments warten müssen, um ein mögliches Verschlucken von im Mund verbliebenen Speiseresten zu verhindern. Die nach dem Verschlucken eingeleiteten Rettungsmaßnahmen seien überdies fehlerhaft und in der durchgeführten Form sogar schädlich gewesen.

 

Das LG hat deshalb das Krankenhaus, eine Krankenschwester und eine Belegärztin zur Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von insgesamt 1.000.000 € nebst Zinsen verurteilt. Weiterhin hat die Kammer festgestellt, dass dem Kläger sämtliche künftigen unvorhersehbaren immateriellen sowie alle vergangenen und künftigen materiellen Schäden zu ersetzen sind, die ihm infolge der fehlerhaften Behandlung entstanden sind bzw. noch entstehen werden. Gegenüber einem weiteren mitverklagten Belegarzt, der zum Zeitpunkt des Vorfalls nicht diensthabend war, hat das LG die Klage abgewiesen.

 

Für die Höhe des Schmerzensgeldes, die erheblich über der vom Kläger beantragten Mindestforderung (500.000 €) liegt, hat das LG maßgeblich auf die Folgen für den Kläger abgestellt: Der Patient werde nie ein auch nur annäherungsweise normales Leben führen können. Er könne nicht sprechen, nicht laufen. Eine normale Kindheit sei ihm weitgehend verwehrt geblieben. Das Spielen mit seinen Eltern, Geschwistern oder anderen Kindern, der Besuch eines Kindergartens oder einer normalen Schule, der Aufbau von regulären Sozialbeziehungen zu Gleichaltrigen seien ihm verwehrt. Er könne sich kaum bewegen, nicht selbst essen oder sich waschen und pflegen. Er sei rund um die Uhr auf fremde Hilfe angewiesen.

 

LG Limburg, Urt. v. 28.06.2021 – 1 O 45/15

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