Abhängig oder selbstständig?

Wie ist eine externe Vertretung in einer BAG sozialversicherungsrechtlich zu behandeln?

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
13 Dez. 2021

Bei vielen Berufsausübungsgemeinschaften (BAG) kommt es vor, dass beispielsweise während der Urlaubszeit eine ärztliche Vertretung extern vergeben wird. Wie solche Vertretungen sozialversicherungsrechtlich zu behandeln sind, dazu positionierte sich das Bundessozialgericht (BSG) in einer aktuellen Entscheidung.

 

Ursprünglich geklagt hatten eine Gemeinschaftspraxis und deren ärztliche Vertretung gegen einen Bescheid der Rentenversicherung, der die ärztliche Vertretung als abhängig beschäftigt eingestuft hatte und entsprechende Sozialversicherungsbeiträge einforderte. Die ärztliche Vertretung war eigentlich als Oberärztin in einer nahegelegenen Klinik angestellt, übernahm jedoch während ihrer Elternzeit die Urlaubs- und Krankheitsvertretungen in der Gemeinschaftspraxis. Für die ärztliche Vertretung in der Gemeinschaftspraxis verfügte die betreffende Ärztin über eine eigene Berufshaftpflichtversicherung. Eine eigenständige Abrechnung der Ärztin mit der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) erfolgte nicht, sie wurde stattdessen auf Stundenbasis entlohnt.

 

Nach Ansicht der Rentenversicherung war die Ärztin abhängig beschäftigt, da sie im Rahmen ihrer Vertretung nicht den Platz eines Praxisinhabers eingenommen habe und somit kein eigenes unternehmerisches Risiko getragen habe. Die vertretende Ärztin und die Inhaber der Gemeinschaftspraxis bestritten eine abhängige Beschäftigung, indem sie betonten, dass die Ärztin ihre Therapieentscheidungen frei von Weisungen treffe und volle Budgetverantwortung besitze. Weiterhin verwiesen sie auf die eigene Regresspflicht der Vertretungsärztin.

 

Das BSG stellte sich auf den Standpunkt, dass die ärztliche Vertretung in dieser konkreten Ausgestaltung eine abhängige Beschäftigung darstelle. Die Begründung des BSG lautete: Zwar sei es grundsätzlich richtig, dass ein Arzt bezüglich der Therapieentscheidungen bei der Ausübung seines Berufs nicht weisungsgebunden sei. Allerdings könne die Weisungsgebundenheit in anderer Form vorliegen. Des Weiteren war die ärztliche Vertretung eng in die Abläufe und die Organisation der Praxis eingebunden. Weiterhin habe sie eng mit dem Personal der Gemeinschaftspraxis zusammengearbeitet. Ein Eintritt in die Rechtsstellung des zu vertretenden Praxisinhabers sei ebenfalls nicht erfolgt. Die ärztliche Vertretung habe auch keinerlei unternehmerisches Risiko getragen, da ihre Vergütung unabhängig von den Abrechnungen mit der KV erfolgte. Somit sind die BAGs verpflichtet, Sozialbeiträge für ärztliche Vertretungen abzuführen, wenn diese in die Arbeitsorganisation der BAG eingegliedert sind und kein nennenswertes unternehmerisches Risiko tragen.

 

Hinweis: In der Praxis bedeutet die Entscheidung für die BAG zusätzlichen bürokratischen Aufwand und eine Verpflichtung, für externe ärztliche Vertretungen Sozialversicherungsbeiträge abführen zu müssen.

 

BSG, Urt. v. 19.10.2021 – B 12 R 1/21 R; www.bsg.bund.de

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