Im folgenden Urteilsfall musste letztinstanzlich das Oberlandesgericht München (OLG) entscheiden, ob eine reine Werbung für (Fern-)Behandlungen erlaubt oder verboten ist. Dabei war hier allerdings nicht von Belang, ob die eigentliche (Fern-)Behandlung erlaubt oder verboten war, sondern lediglich, ob diese beworben werden durfte.
Die Beklagte warb über ihren Internetauftritt für ärztliche Fernbehandlungen in Form eines sogenannten digitalen Arztbesuchs. Dabei wurde in Deutschland lebenden Patienten mittels einer App angeboten, über ihr Smartphone per Videoverbindung von in der Schweiz ansässigen Ärzten Diagnosen, Therapieempfehlungen und Krankschreibungen zu erlangen. Ein Verbraucherschutzverein klagte daraufhin auf Unterlassung, weil diese Werbung gegen § 9 Heilmittelwerbegesetz (HWG) verstoße. Grundsätzlich sei bei jeder Behandlung ein persönlicher Kontakt zum Arzt geboten.
Diese Werbung der Beklagten für eine ärztliche Onlinekonsultation unterfällt auch nach Ansicht des OLG dem abstrakten Gefährdungstatbestand des § 9 HWG und ist daher per se unzulässig - und zwar unabhängig davon, ob das beworbene Behandlungsmodell als solches zulässig ist oder nicht. Das Werbeverbot ziele auf den Schutz der öffentlichen Gesundheit und des individuellen Gesundheitsinteresses, da partielle Informationen kein ganzheitliches Bild erzeugen könnten, das der Heilkundige nur bei einer persönlichen Wahrnehmung und Untersuchung des Patienten gewinnen könne.
Hinweis: Eine Fernbehandlung ist aber nicht per se verboten. Die Werbung dafür ist allerdings verboten, wenn nicht ausnahmsweise ein persönlicher Arzt-Patienten-Kontakt nicht mehr erforderlich ist. Das kann der Fall sein, wenn ein persönlicher Behandlungskontakt zwischen Arzt und Patient bereits stattgefunden hat und der Arzt dem Patienten später per Videoschalte beispielsweise ein Folgerezept ausstellt.
OLG München, Urt. v. 09.07.2020 – 6 U 5180/19