Allgemeine Dokumentationspflichten

Honorarkürzungen sind bei Verstoß nicht ohne Weiteres berechtigt

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
11 Feb. 2020

Im folgenden Urteilsfall musste das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG) die Frage beantworten, wann ein Verstoß gegen die Dokumentationspflichten vorliegt und in welchen Fällen ein solcher eine Abrechnungsauffälligkeit darstellt, die zur Berichtigung von Honorarbescheiden führt.

 

Hinweis: Vertragsarztrechtlich ist zwischen allgemeinen und speziellen Dokumentationspflichten zu unterscheiden. Allgemeine Dokumentationspflichten begründen § 57 BMV-Ä, § 11 Abs. 5 Psychotherapie-Vereinbarung vom 09.05.2017 sowie § 9 Abs. 1 Berufsordnung (BO). Spezielle Dokumentationspflichten sind solche, die der Einheitliche Bewertungsmaßstab (EBM) in der Legende der jeweiligen Leistungsziffer vorgibt.

 

Werden Dokumentationspflichten, die nicht zum obligaten Leistungsinhalt gehören, nicht eingehalten, berechtigt dies allein nicht zu einer Honorarkürzung. Der Verstoß ist nur dann eine Abrechnungsauffälligkeit, wenn der „EBM Ärzte“ (2008) spezielle Dokumentationspflichten in der Legende der jeweiligen Leistungsziffer vorgibt.

 

Im Urteilsfall ging es um eine 77-jährige Psychotherapeutin. Nachdem die Kassenärztliche Vereinigung (KV) einen Hinweis darauf erhalten hatte, die Antragstellerin habe Gutachten zur Beantragung einer Psychotherapie bei einem „Fremdgutachter“ in Auftrag gegeben, veranlasste die KV eine Plausibilitätsprüfung. Als Ergebnis hielt diese schließlich fest, dass die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Dokumentation durchgehend nicht erfüllt seien. Daraufhin hob sie die Honorarbescheide teilweise auf und forderte Honorare in Höhe von 186.680,55 € zurück.

 

Das sah das Sozialgericht Düsseldorf (SG) jedoch anders: Die KV sei nicht schon wegen fehlender Plausibilität, sondern nur dann zur sachlich-rechnerischen Berichtigung von Abrechnungen berechtigt, wenn diese unrichtig seien. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene Berichtigung sei somit nicht gerechtfertigt. Fehlende oder unzureichende Dokumentationen verstießen zwar zweifellos gegen berufsrechtliche und vertragsärztliche bzw. vertragspsychotherapeutische Pflichten. Eine fehlende oder unzureichende Dokumentation rechtfertige die Streichung einer abgerechneten Leistung wegen einer nicht vollständigen Erbringung jedoch nur dann, wenn die Dokumentation zum ausdrücklichen Leistungsinhalt der Gebührenordnungsposition gehöre.

 

Hinweis Letzteres war hier nicht der Fall. Der Widerspruch blieb somit erfolglos. Das SG ordnete die aufschiebende Wirkung der anhängigen Klage gegen den Honoraraufhebungs- und Rückforderungsbescheid an. Das LSG wies die hiergegen geführte Beschwerde zurück.

 

LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 22.05.2019 – L 11 KA 70/18 B ER

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