Vor jeder Operation muss der behandelnde Arzt den Patienten über mögliche Risiken des Eingriffs aufklären. Nicht nur die Operationsrisiken müssen dargelegt werden - es muss dem Patienten auch ausreichend Zeit zugestanden werden, diese zu verarbeiten und zu überdenken. Da eine Einwilligung im Regelfall unwirksam ist, wenn sie durch Unterzeichnung des Aufklärungsformulars unmittelbar nach Ende des Aufklärungsgesprächs erfolgt, können sich daraus Haftungsansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ergeben. So war es auch in einem aktuellen Fall, der vom Hanseatischen Oberlandesgericht in Bremen (OLG) entschieden wurde.
Geklagt hatte ein Patient, bei dem es während einer Operation der Nasennebenhöhle zu einer Hirnhautverletzung, einer Verletzung der vorderen Hirnschlagader und zu einer Durchtrennung des Riechnervs kam – schwerwiegende Folgen für den Operierten. Streitig war, ob der Patient vor der Operation ausreichend aufgeklärt worden sei. Sein Vorwurf, ihm habe die Zeit gefehlt, die Reichweite der Risiken abzusehen, da er direkt im Anschluss des Aufklärungsgespräch zur Unterschrift der Einwilligungserklärung aufgefordert worden war, wurde als Aufklärungsfehler erstinstanzlich vom Landesgericht Bremen noch verneint.
Das OLG gab jedoch der Berufung statt und stellte fest, dass keine ordnungsgemäße Aufklärung stattgefunden habe. Die Einwilligung des Patienten sei unwirksam, weil er keinerlei Bedenkzeit zwischen Aufklärung über die Risiken des Eingriffs und der Entscheidung über die Einwilligung hatte. Es könne nicht von einer wohlüberlegten Entscheidung ausgegangen werden - vielmehr wurde die Einwilligung unter dem Eindruck einer großen Fülle von unbekannten und schwer verständlichen Informationen in einer persönlich schwierigen Situation abgegeben.
Hinweis: Je schwerwiegender der Eingriff ist und je mehr Komplikationen zu berücksichtigen sind, desto schwerer fällt es dem Patienten, die Fülle an Informationen zu erfassen. Geben Sie deshalb Ihren Patienten immer eine ausreichende Bedenkzeit.
Hanseatisches OLG in Bremen, Urt. v. 25.11.2021 – 5 U 63/20; www.oberlandesgericht.bremen.de