Ausgelagerte Praxisräume

Erreichbarkeit innerhalb von 30 Minuten genügt

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
25 Mai 2022

Das Bundessozialgericht (BSG) hat jüngst die Anforderungen an die Regelungen zum Betrieb von ausgelagerten Praxisräumen konkretisiert. Beim Erfordernis der „räumlichen Nähe“ zum Vertragsarztsitz sehen die Bundesrichter die zeitliche Erreichbarkeit der ausgelagerten Praxisräume vom bestehenden Vertragsarztsitz innerhalb von maximal 30 Minuten als geeignetes Kriterium.

Der Entscheidung lag eine Klage eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zugrunde, das bisher an zwei Standorten betrieben wurde und zytologische Laborleistungen für niedergelassene Gynäkologen erbrachte. Um die ausgeschöpfte Praxiskapazität zu erweitern, sollten nun ausgelagerte Praxisräume betrieben werden, die neun Kilometer von einem der Standorte entfernt lagen und selbst in verkehrsstarken Zeiten innerhalb von 19 Minuten Fahrzeit erreicht werden konnten. Vorinstanzlich wurde davon ausgegangen, dass die beantragten Räumlichkeiten nicht mehr zum räumlichen Nahbereich der bisherigen Standorte zählten, da die ausgelagerten Praxisräume eine organisatorische Einheit mit der Praxis bilden müssten. Das Kriterium einer Erreichbarkeit von 30 Minuten, das aus der abgeschafften Residenzpflicht des Vertragsarztes stammte, sei gerade nicht heranzuziehen.

Das BSG hält nun jedoch nicht mehr an der Ansicht fest, dass eine organisatorisch einheitliche Praxis auch bei ausgelagerten Praxisräumen vorliegen müsse. Es geht vielmehr davon aus, dass die zeitliche Erreichbarkeit von 30 Minuten vom Vertragsarztsitz ein geeignetes Kriterium zur Bestimmung der räumlichen Nähe sei, da sich hiermit auch unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen von ländlichen und städtischen Gebieten vergleichen ließen. Ob bei Leistungen ohne erforderlichen Arzt-Patienten-Kontakt auch längere Wegezeiten möglich sein könnten, ließen die Bundesrichter ausdrücklich offen.

Gleichsam weist das BSG in seinem Urteil auch auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für den Betrieb von ausgelagerten Praxisräumen hin. Zum einen müsse die Tätigkeit am Sitz des MVZ die Tätigkeit an weiteren Orten insgesamt zeitlich überwiegen. Zum anderen spezifiziert das Gericht die Voraussetzungen der speziellen Untersuchungs- und Behandlungsleistungen, die ausschließlich in den ausgelagerten Praxisräumen erbracht werden dürfen. Die in den ausgelagerten Praxisräumen erbrachten Leistungen sind nach Ansicht des BSG speziell, wenn diese nicht im Wesentlichen auch am Hauptsitz der Praxis erbracht werden. Der Begriff der speziellen Leistung sei hingegen nicht allein auf das von der jeweiligen Arztgruppe erbrachte Leistungsspektrum zu beziehen. Soweit ein Arzt besondere Leistungen auch regelmäßig am Hauptsitz erbringt, sind diese bezogen auf die ausgelagerten Praxisräume nicht „speziell“.

Das könnte Sie interessieren

15Juni2017

Häusliches Arbeitszimmer: Wann Selbständige ihre Raumkosten (beschränkt) abziehen können

Selbständige dürfen die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen, wenn der Raum der Mittelpunkt ihrer gesamten betrieblichen ...

Mehr erfahren
23Mai2017

Häusliches Arbeitszimmer: BFH: Raumkosten können auch für Praxisinhaber abziehbar sein

Selbständige dürfen die Kosten für ein häusliches Arbeitszimmer in voller Höhe als Betriebsausgaben absetzen, wenn der Raum der Mittelpunkt ihrer gesamten betrieblichen ...

Mehr erfahren
25Okt.2022

Umsatzsteuer der Praxisgemeinschaft: Welche Dienstleistungen von der Umsatzsteuer befreit sind

Ob auch Reinigungs- und Praxisorganisationsleistungen zur von der Umsatzsteuer befreiten ärztlichen Tätigkeit zählen, musste das Finanzgericht Niedersachsen (FG) jüngst ...

Mehr erfahren
08Okt.2019

Häusliches Arbeitszimmer: Der Raum muss für die berufliche Tätigkeit nicht erforderlich sein

Erwerbstätige können die Kosten für ihr häusliches Arbeitszimmer in zwei Fallkonstellationen als Werbungskosten absetzen:Tätigkeitsmittelpunkt: Bildet das Arbeitszimmer ...

Mehr erfahren
24Apr.2018

Psychotherapeuten: Vorgaben des Bewertungsausschusses für Prüfzeiten pro Fall sind verbindlich

Der Bewertungsausschuss für die psychotherapeutischen Leistungen hat Prüfzeiten von jeweils 70 Minuten für die Vor- und Nachbereitung bzw. Dokumentations- und Auswertungsaufwand ...

Mehr erfahren
16Apr.2019

Betriebsgrundlage verkauft: Fehlende Betriebsaufgabeerklärung rettet nicht vor Aufgabegewinn

Wann hört ein Unternehmen eigentlich auf, steuerlich zu existieren? Im Steuerrecht muss man dem Finanzamt ja immer alles „anzeigen“ - so auch das Ende der unternehmerischen ...

Mehr erfahren