Das Bundessozialgericht (BSG) hat jüngst die Anforderungen an die Regelungen zum Betrieb von ausgelagerten Praxisräumen konkretisiert. Beim Erfordernis der „räumlichen Nähe“ zum Vertragsarztsitz sehen die Bundesrichter die zeitliche Erreichbarkeit der ausgelagerten Praxisräume vom bestehenden Vertragsarztsitz innerhalb von maximal 30 Minuten als geeignetes Kriterium.
Der Entscheidung lag eine Klage eines Medizinischen Versorgungszentrums (MVZ) zugrunde, das bisher an zwei Standorten betrieben wurde und zytologische Laborleistungen für niedergelassene Gynäkologen erbrachte. Um die ausgeschöpfte Praxiskapazität zu erweitern, sollten nun ausgelagerte Praxisräume betrieben werden, die neun Kilometer von einem der Standorte entfernt lagen und selbst in verkehrsstarken Zeiten innerhalb von 19 Minuten Fahrzeit erreicht werden konnten. Vorinstanzlich wurde davon ausgegangen, dass die beantragten Räumlichkeiten nicht mehr zum räumlichen Nahbereich der bisherigen Standorte zählten, da die ausgelagerten Praxisräume eine organisatorische Einheit mit der Praxis bilden müssten. Das Kriterium einer Erreichbarkeit von 30 Minuten, das aus der abgeschafften Residenzpflicht des Vertragsarztes stammte, sei gerade nicht heranzuziehen.
Das BSG hält nun jedoch nicht mehr an der Ansicht fest, dass eine organisatorisch einheitliche Praxis auch bei ausgelagerten Praxisräumen vorliegen müsse. Es geht vielmehr davon aus, dass die zeitliche Erreichbarkeit von 30 Minuten vom Vertragsarztsitz ein geeignetes Kriterium zur Bestimmung der räumlichen Nähe sei, da sich hiermit auch unterschiedliche strukturelle Voraussetzungen von ländlichen und städtischen Gebieten vergleichen ließen. Ob bei Leistungen ohne erforderlichen Arzt-Patienten-Kontakt auch längere Wegezeiten möglich sein könnten, ließen die Bundesrichter ausdrücklich offen.
Gleichsam weist das BSG in seinem Urteil auch auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen für den Betrieb von ausgelagerten Praxisräumen hin. Zum einen müsse die Tätigkeit am Sitz des MVZ die Tätigkeit an weiteren Orten insgesamt zeitlich überwiegen. Zum anderen spezifiziert das Gericht die Voraussetzungen der speziellen Untersuchungs- und Behandlungsleistungen, die ausschließlich in den ausgelagerten Praxisräumen erbracht werden dürfen. Die in den ausgelagerten Praxisräumen erbrachten Leistungen sind nach Ansicht des BSG speziell, wenn diese nicht im Wesentlichen auch am Hauptsitz der Praxis erbracht werden. Der Begriff der speziellen Leistung sei hingegen nicht allein auf das von der jeweiligen Arztgruppe erbrachte Leistungsspektrum zu beziehen. Soweit ein Arzt besondere Leistungen auch regelmäßig am Hauptsitz erbringt, sind diese bezogen auf die ausgelagerten Praxisräume nicht „speziell“.