Gilt ein Dienst als Rufbereitschaft oder als Bereitschaftsdienst im Sinne des Tarifvertrags? Mit dieser interessanten Frage musste sich das Landesarbeitsgericht Köln (LAG) im folgenden Fall beschäftigen.
Der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte/TdL) unterscheidet zwischen Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft. Beim Bereitschaftsdienst bestimmt der Arbeitgeber, wo sich der Arbeitnehmer aufzuhalten hat, um im Bedarfsfall die Arbeit aufzunehmen. Bei der Rufbereitschaft kann sich der Arzt an einem selbstgewählten Ort aufhalten. Er muss dem Arbeitgeber aber mitteilen, wo er sich befindet, und auf Abruf die Arbeit aufnehmen können. Je nachdem, welcher Dienst geleistet wird, ist die Vergütung zu bemessen.
Der Oberarzt an einer Universitätsklinik (Nephrologie) verlangte vom Arbeitgeber die Anerkennung seiner abgeleisteten nephrologischen Rufbereitschaftsdienste in der Medizinischen Klinik I als Arbeitszeit. Der geleistete Dienst sei in Wahrheit ein Bereitschaftsdienst im Sinne des TV-Ärzte/TdL gewesen. Ihm stehe daher die Differenz zwischen der gezahlten Vergütung und der für den Bereitschaftsdienst vorgesehenen Vergütung in Höhe von über 40.000 € zu.
Das LAG gab dem Kläger zwar weitestgehend Recht, folgte dabei jedoch nicht der Argumentation des Klägers. Die tarifwidrige Anordnung der Rufbereitschaft durch den Arbeitgeber bedeute nicht, dass es sich automatisch um einen Bereitschaftsdienst im Sinne des Tarifvertrags handle. Daher müsse § 612 I Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) angewandt werden, der sich mit der Vergütung von Dienstleistungen allgemein befasst. Die tarifwidrigen Rufbereitschaften seien insgesamt als ungeregelte Bereitschaftsform zu deuten und damit als Tätigkeit außerhalb der arbeitsvertraglichen Regelungen. Diese Tätigkeit sei auch entsprechend zu vergüten. In diesem Fall seien die nephrologischen Dienste in der Uniklinik tarifwidrig, da sie nicht die Voraussetzungen für die Rufbereitschaft erfüllten. Dazu dürfte nämlich nur in Ausnahmefällen Arbeit anfallen. Tatsächlich fielen diese aber bei jedem zweiten Dienst an - zu oft für eine Ausnahme.
Hinweis: Wichtig ist hier die Abgrenzung zwischen den im Tarifvertrag genannten Varianten Rufbereitschaft und Bereitschaftsdienst. Laut Gericht entsprechen nicht alle tatsächlich geleisteten Dienste einer dieser beiden Definitionen. In diesen Fällen kommt § 612 BGB ins Spiel, der Vergütungsregelungen aus dem Tarifvertrag ersetzen kann - diese Norm sollten Personalräte also unbedingt im Hinterkopf behalten.
LAG Köln, Urt. v. 04.03.2020 – 3 Sa 218/19