Nutzen Ärzte die Rechtsform einer Praxisgemeinschaft nur zum Schein, kann dies zu Honorarrückforderungen durch die Kassenärztliche Vereinigung (KV) führen. Wann dies der Fall ist und in welchen Fällen Vertretungen möglich sind, musste das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg (LSG) nachfolgend entscheiden.
Ein Medizinisches Versorgungszentrum (MVZ) betrieb zwei Praxen an zwei Standorten. Das MVZ war dabei als Praxisgemeinschaft angemeldet. Die zuständige KV stellte mehrere Verstöße gegen vertragsärztliche Pflichten fest - unter anderem die nicht plausible Doppelbehandlung von Patienten an beiden Standorten sowie das gleichzeitige Einlesen der Versicherungskarten an beiden Standorten.
Aus der vollständigen Analyse des Abrechnungsverhaltens ergebe sich, dass hier eine Praxisorganisation an den Tag gelegt worden sei, wie sie für eine Berufsausübungsgemeinschaft (BAG) kennzeichnend sei. Regelhaft habe man gegenseitig für die Versorgung der Patienten des jeweils anderen zur Verfügung gestanden. Im Ergebnis habe die Fachärztin für Anästhesiologie (Klägerin) über mehrere Quartale verteilt in 167 Fällen gegen das Gebot der peinlich genauen Abrechnung verstoßen. Sie rechtfertigte dies mit kurzfristigen Vertretungen oder Notfällen.
Eine berechtigte Vertretung bzw. eine Notfallbehandlung sei aber nicht nachgewiesen worden. Die Klägerin habe in keinem Fall einen rechtmäßigen Vertretungsgrund dargelegt. Es sei vielmehr eine Art kollegialer Vertretung auf Zuruf praktiziert und nach den täglichen Notwendigkeiten verfahren worden, wie es in einer BAG üblich sei. Eine Praxisgemeinschaft könne aber nicht unter Hinweis auf die generelle Vertretungsbefugnis wie eine BAG geführt werden. Das MVZ musste daher Honorar für die betreffenden Quartale zurückzahlen.
Der Klägerin wurde in Zusammenhang mit ihrem systematischen Abrechnungsgebaren, das sie über Jahre hinweg unter dem Deckmantel der Praxisgemeinschaft an den Tag legte, grobe Fahrlässigkeit zur Last gelegt. Sie habe die von einer Vertragsärztin zu erwartende Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt. Danach ist auch der von der KV festgesetzte Rückforderungsbetrag nicht zu beanstanden. Angesichts der Verstöße gegen die Regeln des Vertragsarztrechts konnte die Beklagte zudem eine Honorarberichtigung im Wege der Schätzung vornehmen.
LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 09.06.2021 – L 7 KA 13/19