Zum Nachlassvermögen können die unterschiedlichsten Vermögenswerte gehören wie beispielsweise Bargeld, Aktien, Goldmünzen, Immobilien oder Kunstgegenstände. Nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) zählt auch ein vom Erblasser zu Lebzeiten nicht geltend gemachter Pflichtteilsanspruch dazu.
Geklagt hatte ein alleinerbender Sohn, dessen Vater im September 2008 verstorben war. Dem Vater hatte wegen einer früheren Erbausschlagung ein Pflichtteilsanspruch von 400.000 € zugestanden, den er zu Lebzeiten aber niemals geltend gemacht hatte. Nach dem Tod des Vaters beanspruchte schließlich der Sohn den geerbten Pflichtteil. Das Finanzamt vertrat den Standpunkt, dass der Pflichtteilsanspruch bereits auf den Todeszeitpunkt des Vaters dem erbschaftsteuerpflichtigen Erwerb des Sohnes hinzugeschlagen werden muss. Der Sohn war der Meinung, dass der Pflichtteil erst bei der späteren Geltendmachung besteuert werden dürfe.
Der BFH gab dem Finanzamt Recht und ging ebenfalls davon aus, dass die Erbschaftsteuer auf den geerbten Pflichtteilsanspruch bereits mit dem Tod des Pflichtteilsberechtigten (dem Vater) entstanden war. Ob und wann der Erbe (der Sohn) den Pflichtteil tatsächlich geltend macht, ist in diesem Zusammenhang irrelevant.
Hinweis: Der Erbe muss aber keine Doppelbesteuerung fürchten, denn die Erbschaftsteuer entsteht nicht erneut, wenn er den Anspruch geltend macht. Die Steuer muss nur bei Anfall der Erbschaft gezahlt werden. Dies bedeutet aber auch: Macht ein Erbe den Anspruch - wie der Erblasser - ebenfalls nicht geltend, kann er dadurch nicht den Erbschaftsteuerzugriff auf den Anspruch abwenden. Anders ist der Fall gelagert, wenn der Anspruch nicht geerbt wird, sondern in der eigenen Person entsteht: Dann kann der Erbschaftsteuerzugriff dadurch vermieden werden, dass die Erfüllung des Pflichtteilsanspruchs nicht verlangt wird.