Veräußert eine Kapitalgesellschaft eine Beteiligung an einer anderen Kapitalgesellschaft (z.B. in Form von Aktien), sind dabei entstehende Veräußerungsgewinne grundsätzlich zu 95 % steuerfrei. Das war bis zum Jahr 2000 noch anders. Damals galt nicht das heute allgemein anzuwendende Teileinkünfteverfahren, sondern das äußerst komplexe Anrechnungsverfahren.
In einem vom Finanzgericht München (FG) zu entscheidenden Sachverhalt hatte eine GmbH im Jahr 1997 Aktien veräußert und den dabei entstandenen Gewinn der Besteuerung nach dem Anrechnungsverfahren unterworfen. Aufgrund eines Gerichtsbeschlusses wurde ihr im Jahr 2007 ein um ca. 2 Mio. € höherer Veräußerungserlös zugesprochen.
Nun stellte sich die Frage, ob der nachträgliche Veräußerungserlös noch dem Anrechnungsverfahren unterworfen werden musste, weil der Veräußerungszeitpunkt vor 2001 lag, oder ob der zusätzliche Veräußerungserlös gemäß dem Teileinkünfteverfahren (2007: Halbeinkünfteverfahren) zu 95 % steuerfrei war. Die Klägerin vertrat die Auffassung, dass der Gewinn zu 95 % steuerfrei sei, während das zuständige Finanzamt eine steuerpflichtige Erfassung als laufenden Gewinn vornehmen wollte.
Die Richter schlossen sich der Meinung der Klägerin an und begründeten ihre Auffassung mit dem Wortlaut der zeitlichen Anwendungsregelung zum Halbeinkünfteverfahren, denn die Regelung stelle nicht auf den Zeitpunkt der Veräußerung, sondern auf den Zeitpunkt der Gewinnbesteuerung ab.
Hinweis: Da sich die Richter mit dieser Entscheidung gegen viele - zum Teil prominente - Kommentarmeinungen gestellt haben, ist es nicht verwunderlich, dass die Finanzverwaltung gegen dieses Urteil Revision eingelegt hat. Nun muss sich zeigen, ob der Bundesfinanzhof die Sachlage ebenso beurteilt wie das FG.