Das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz (LSG) konkretisierte in seiner aktuellen Entscheidung den Grundsatz des Vorrangs der Richtgrößenprüfung.
Eine chirurgisch tätige Gemeinschaftspraxis behandelte eine multimorbide ältere Patientin mit einem offenen Bein und extremem Lymphödemen. Die Behandlung hatte insbesondere hohe Verbandskosten zur Folge - unter anderem für silberhaltige Feuchtverbände und elastische Binden. Die gesetzliche Krankenkasse leitete daraufhin ein Wirtschaftlichkeitsprüfungsverfahren vor dem Prüfgremium ein. Das Prüfgremium leitete eine Einzelfallprüfung ein und ordnete wegen Unwirtschaftlichkeit einen Verbandskostenregress von ca. 30.000 € an. Es begründete den Regress mit der nicht nachvollziehbaren Höhe der Ausgaben. Die behandelnden Ärzte klagten vor dem LSG - mit Erfolg.
Das LSG begründete seine Entscheidung mit dem Grundsatz des Vorrangs der Richtgrößenprüfung. Demnach steht einer Einzelfallprüfung der Wirtschaftlichkeit der Vorrang der Richtgrößenprüfung entgegen. Das Prüfgremium habe also eine Einzelfallprüfung durchgeführt, ohne zuvor eine Richtgrößenprüfung angesetzt zu haben. Eine solche Richtgrößenprüfung sei aber zwingend vorrangig. Dies gelte auch dann, wenn bei dem betroffenen Vertragsarzt keine Richtgrößenprüfung durchgeführt wurde. Die vom Gesetzgeber zum Schutz des Vertragsarztes vorgesehene Toleranzgrenze für sein gesamtes Verordnungsvolumen würde unterlaufen, wenn es den Prüfgremien frei überlassen wäre, anstelle der Richtgrößenprüfung Einzelfallprüfungen durchzuführen.
Niedergelassene Ärzte müssen demnach bei einzelnen teuren Behandlungen keine Angst vor Kürzungen der Verbandskosten haben. Erst wenn der Arzt die Gesamtverordnungskosten der Richtgrößengrenze um ca. 15 % überschreitet, kann es zu Kürzungen kommen. Die Richtgrößengrenzen sind in den Heilmittel-Richtgrößenvereinbarungen der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung festgelegt.
Hinweis: Sollte ein Arzt doch einmal auffällig geworden sein, kann er eine Überschreitung unter anderem durch Praxisbesonderheiten rechtfertigen. Dem kann jedoch durch hinreichende Dokumentation und sich ergebende Vergleiche, warum ein bestimmtes Verbandsmittel erforderlich ist, vorgebeugt werden.