Entschädigungsloser Entzug von Aktien

Verluste können steuerlich geltend gemacht werden

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
23 Juni 2020

Werden einem Aktionär seine nach dem 31.12.2008 erworbenen Aktien ohne Zahlung einer Entschädigung entzogen, indem per Insolvenzplan das Grundkapital der AG auf null herabgesetzt und das Bezugsrecht des Aktionärs für eine anschließende Kapitalerhöhung ausgeschlossen wird, erleidet der Aktionär einen steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden.

Im Urteilsfall hatte die klagende Aktionärin Anfang 2011 und 2012 insgesamt 39.000 Namensaktien einer inländischen AG zu einem Gesamtkaufpreis von 36.262 € erworben. 2012 wurde über das Vermögen der AG schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet. In einem vom Insolvenzgericht genehmigten Insolvenzplan wurde das Grundkapital der AG auf null herabgesetzt und eine Kapitalerhöhung beschlossen, für die ein Bezugsrecht der Klägerin und der übrigen Altaktionäre ausgeschlossen war. Der börsliche Handel der Altaktien wurde eingestellt. Da die Klägerin für den Untergang ihrer Aktien keinerlei Entschädigung erhielt, entstand bei ihr ein Verlust in Höhe ihrer ursprünglichen Anschaffungskosten, den das Finanzamt nicht anerkennen wollte.

Der BFH widersprach dem jedoch und beurteilte den Entzug der Aktien in Höhe von 36.262 € als steuerbaren Aktienveräußerungsverlust. Die Bundesrichter verwiesen darauf, dass der Untergang der Aktien zwar keine Veräußerung darstelle und auch sonst vom Steuergesetz nicht erfasst werde, das Gesetz aber insoweit eine planwidrige Regelungslücke aufweise, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Die im vorliegenden Fall genutzte Sanierungsmöglichkeit der Gesellschaft sei erst später eingeführt worden, ohne die steuerlichen Folgen für Kleinanleger wie die Klägerin zu bedenken.

Hinweis: Es widerspricht nach Gerichtsmeinung den Vorgaben des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes (dem Leistungsfähigkeits- und Folgerichtigkeitsprinzip), wenn der von der Klägerin erlittene Aktienverlust steuerlich nicht berücksichtigt wird, wirtschaftlich vergleichbare Verluste (z.B. aufgrund eines sogenannten Squeeze-out oder aus einer Einziehung von Aktien durch die AG) aber schon.

Das könnte Sie interessieren

08Feb.2019

Aktionärsdarlehen: Darlehensverlust gilt nicht als nachträgliche Anschaffungskosten

Kann man als Aktionär „seiner“ AG ein Darlehen geben? Natürlich - steuerrechtlich spricht nichts dagegen. Problematisch wird es nur, wenn die AG das Darlehen nicht zurückzahlen ...

Mehr erfahren
07Sept.2019

Spin-off: Keine steuerpflichtige Sachausschüttung

Große Konzerne müssen sich aufgrund äußerer Gegebenheiten (z.B. Wettbewerbsrecht, Marktveränderungen, Standortveränderungen) von Zeit zu Zeit umstrukturieren. Bei börsennotierten ...

Mehr erfahren
27Apr.2016

Gewerbesteuer: Keine Hinzurechnung bei ausschüttungsbedingter Teilwertabschreibung?

Bezieht eine Kapitalgesellschaft Dividenden von einer anderen Kapitalgesellschaft, sind diese grundsätzlich zu 95 % von der Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer befreit. ...

Mehr erfahren
18Aug.2016

Ausschüttungen: Einlagenrückgewähr einer Kapitalgesellschaft mit Sitz im EU-Ausland

Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften können entweder eine steuerpflichtige Dividende darstellen, die nach dem Teileinkünfteverfahren zu besteuern ist, oder eine vollständig ...

Mehr erfahren
05Juni2015

Verrechenbarer Verlust: Wer bekommt den Verlust bei unentgeltlicher Anteilsübertragung?

Als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG) haben Sie bestimmt schon einmal vom verrechenbaren Verlust gehört. So bezeichnet man den anteiligen Verlust der Gesellschafter, ...

Mehr erfahren
05Juni2015

Verrechenbarer Verlust: Wer bekommt den Verlust bei unentgeltlicher Anteilsübertragung?

Als Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft (KG) haben Sie bestimmt schon einmal vom verrechenbaren Verlust gehört. So bezeichnet man den anteiligen Verlust der Gesellschafter, ...

Mehr erfahren