Werden einem Aktionär seine nach dem 31.12.2008 erworbenen Aktien ohne Zahlung einer Entschädigung entzogen, indem per Insolvenzplan das Grundkapital der AG auf null herabgesetzt und das Bezugsrecht des Aktionärs für eine anschließende Kapitalerhöhung ausgeschlossen wird, erleidet der Aktionär einen steuerlich berücksichtigungsfähigen Verlust. Dies hat der Bundesfinanzhof (BFH) in einem aktuellen Urteil entgegen der Auffassung der Finanzverwaltung entschieden.
Im Urteilsfall hatte die klagende Aktionärin Anfang 2011 und 2012 insgesamt 39.000 Namensaktien einer inländischen AG zu einem Gesamtkaufpreis von 36.262 € erworben. 2012 wurde über das Vermögen der AG schließlich das Insolvenzverfahren eröffnet. In einem vom Insolvenzgericht genehmigten Insolvenzplan wurde das Grundkapital der AG auf null herabgesetzt und eine Kapitalerhöhung beschlossen, für die ein Bezugsrecht der Klägerin und der übrigen Altaktionäre ausgeschlossen war. Der börsliche Handel der Altaktien wurde eingestellt. Da die Klägerin für den Untergang ihrer Aktien keinerlei Entschädigung erhielt, entstand bei ihr ein Verlust in Höhe ihrer ursprünglichen Anschaffungskosten, den das Finanzamt nicht anerkennen wollte.
Der BFH widersprach dem jedoch und beurteilte den Entzug der Aktien in Höhe von 36.262 € als steuerbaren Aktienveräußerungsverlust. Die Bundesrichter verwiesen darauf, dass der Untergang der Aktien zwar keine Veräußerung darstelle und auch sonst vom Steuergesetz nicht erfasst werde, das Gesetz aber insoweit eine planwidrige Regelungslücke aufweise, die im Wege der Analogie zu schließen sei. Die im vorliegenden Fall genutzte Sanierungsmöglichkeit der Gesellschaft sei erst später eingeführt worden, ohne die steuerlichen Folgen für Kleinanleger wie die Klägerin zu bedenken.
Hinweis: Es widerspricht nach Gerichtsmeinung den Vorgaben des Gleichheitssatzes des Grundgesetzes (dem Leistungsfähigkeits- und Folgerichtigkeitsprinzip), wenn der von der Klägerin erlittene Aktienverlust steuerlich nicht berücksichtigt wird, wirtschaftlich vergleichbare Verluste (z.B. aufgrund eines sogenannten Squeeze-out oder aus einer Einziehung von Aktien durch die AG) aber schon.