Bei einem Vermächtnis kann der Erblasser einer bestimmten Person, dem Vermächtnisnehmer, etwas zuwenden. Er kann auch festlegen, wann dieser Gegenstand auf den Vermächtnisnehmer übergehen soll. So kann es sein, dass zwischen dem eigentlichen Erbfall und der Übertragung des Gegenstands eine gewisse Zeit vergeht, da diesen Gegenstand in der Zwischenzeit ein Vorvermächtnisnehmer nutzen darf. Die Erbschaftsteuer für den Vermächtnisnehmer wird erst ermittelt, wenn dieser auch wirklich etwas bekommt. Er kann dann wählen, ob für ihn die Steuerklasse nach seinem persönlichen Verhältnis zum Erblasser oder zum Vorvermächtnisnehmer günstiger ist. Aber wie ist es, wenn der eigentliche Vermächtnisnehmer in der Zwischenzeit verstorben ist? Dies musste das Finanzgericht Hessen (FG) entscheiden.
Der Kläger erhielt im Vermächtnisweg die Zuwendung eines Grundstücks von einem entfernten Verwandten. Dieser hatte in seinem Testament den Vater des Klägers und im Falle seines Todes dessen Abkömmlinge als Vermächtnisnehmer eingesetzt. Das Vermächtnis sollte mit dem Tod des Vermächtnisgebers anfallen, aber erst nach dem Tod von dessen Ehefrau F verlangt werden können. Nach dem Tod des Vermächtnisgebers wurde F zivilrechtliche Eigentümerin des Grundstücks und ins Grundbuch eingetragen. Der Vater des Klägers starb anderthalb Jahre vor F und wurde vom Kläger und dessen Bruder beerbt. Nachdem auch F verstorben war, wurde das Grundstück auf den Kläger und seinen Bruder übertragen. Das Finanzamt versteuerte den Erwerb des Grundstücks nach Steuerklasse III aufgrund des Erwerbs von F. Der Kläger hingegen war der Ansicht, dass es sich um eine Zuwendung seines Vaters handle und daher die günstigere Steuerklasse I anzuwenden sei.
Die Klage vor dem FG war nicht erfolgreich. Das Finanzamt hat das Vermächtnis zu Recht unter Anwendung der Steuerklasse III besteuert. Bei Eintritt der Nacherbfolge müssen diejenigen, auf die das Vermögen übergeht, den Erwerb als vom Vorerben stammend versteuern. Nachvermächtnisse stehen da Nacherbschaften gleich. Zivilrechtlich handelt es sich im Streitfall um ein Nachvermächtnis. Die Fälligkeit des Vermächtnisses sollte mit dem Tod der Erbin F eintreten. Die Besteuerung war daher über den Tod des Vaters des Klägers hinausgeschoben. Der Vater hatte noch nichts erworben. Liegt kein steuerlicher Erwerb des Vorvermächtnisnehmers vor, kann es nach Ansicht des Gerichts auch keine Versteuerung des Erwerbs „als vom Vorvermächtnisnehmer stammend“ geben. Es ist daher aufgrund des Verwandtschaftsverhältnisses des Klägers zur Erbin F die ungünstigere Steuerklasse III anzuwenden.
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