Das Bundessozialgericht (BSG) hat in vier Parallelverfahren entschieden, dass die gesetzlichen Krankenkassen nur in ganz speziellen Fällen die Kosten für medizinische Cannabisprodukte zu übernehmen haben. Drei Revisionen wurden zurückgewiesen. Das BSG hat jedoch für viele Patienten mehrere grundsätzliche Fragen über die Rezeptvergabe von Cannabis als Medizin geklärt.
Seit 2017 kann unter bestimmten Voraussetzungen medizinisches Cannabis an Patienten mit schwerwiegenden Krankheiten zur Schmerz- und Krampflinderung zulasten der gesetzlichen Krankenkassen verordnet werden. Ein Anspruch auf Versorgung mit Cannabis besteht, wenn nach begründeter ärztlicher Einschätzung andere Medikamente aufgrund ihrer Nebenwirkungen im konkreten Einzelfall nicht zur Anwendung kommen können. Dennoch wurden in der Vergangenheit viele Anträge abgelehnt, da entweder die Erkrankung nicht als schwerwiegend eingeschätzt oder die Begründung des Arztes als unzureichend eingestuft wurde.
Das BSG hat nun präzisiert, wann im Einzelnen eine schwere Erkrankung als Voraussetzung einer Cannabistherapie vorliegt und dabei auf die konkreten Auswirkungen der mit Cannabis zu behandelnden Krankheiten und Symptome abgestellt. Danach darf Cannabis auch verordnet werden, wenn noch Standardtherapien verfügbar sind. Voraussetzung ist, dass der behandelnde Arzt den Krankheitszustand umfassend dokumentiert, Therapiealternativen analysiert und die Erfolgschancen und Risiken der Therapien sorgfältig abwägt. Diese ärztliche Einschätzung darf die Krankenkasse nur daraufhin überprüfen, ob die Grundlagen der Entscheidung vollständig und nachvollziehbar sind sowie das Abwägungsergebnis nicht völlig unplausibel ist. Der Arzt habe zudem sorgfältig zu prüfen, ob eine Suchtmittelabhängigkeit der Verordnung von Cannabis entgegensteht.
Sind mehrere Cannabisprodukte gleichermaßen geeignet, haben Versicherte nur Anspruch auf Versorgung mit dem kostengünstigsten Präparat. Dem Arzt steht bei der Auswahl der Darreichungsform und der Menge kein Einschätzungsspielraum zu.
Hinweis: Ziel des Gesetzgebers war es, einen erleichterten Zugang zu medizinischem Cannabis zu ermöglichen und die ärztliche Therapiefreiheit zu stärken. Dies ist nur zum Teil gelungen. Aufgrund der strengen Vorgaben an die ärztliche Begründungspflicht wird dem Arzt eine erhebliche Mehrarbeit abverlangt, die zudem nicht entsprechend vergütet wird.