Europäischer Gerichtshof

Wo entsteht die Einfuhrumsatzsteuer bei zollrechtlichem Fehlverhalten?

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
17 Dez. 2019

Im folgenden Rechtsstreit legte das Finanzgericht Hessen (FG) dem EuGH die Frage vor, ob die bloße Gefahr des Eingangs der Waren in den Wirtschaftskreislauf der Union für die Entstehung der Einfuhrumsatzsteuer ausreichend ist. Weiterhin wollte das FG wissen, ob ein zollrechtliches Fehlverhalten für die Annahme genügt, dass der Gegenstand in diesem Mitgliedstaat (hier: Deutschland) in den Wirtschaftskreislauf der Union gelangt ist.

Im Urteilsfall transportierte FedEx einfuhrabgabenpflichtige Gegenstände aus verschiedenen Drittländern nach Deutschland, um diese anschließend nach Griechenland (endgültiger Bestimmungsort) weiterzubefördern. Das Hauptzollamt stellte fest, dass bei einem Teil der Sendungen keine Gestellung in Deutschland erfolgt war. Somit lag ein vorschriftswidriges Verbringen in das Zollgebiet der EU vor. Die anderen Gegenstände wurden zwar vorschriftsmäßig nach Deutschland verbracht, danach aber zollrechtswidrig nach Griechenland weiterbefördert, indem sie der zollamtlichen Überwachung entzogen wurden. Aufgrund dieses zollrechtlichen Fehlverhaltens entstand bei FedEx in Deutschland eine Einfuhrzollschuld.

Nach der Rechtsprechung des EuGH kann hier neben der Zollschuld auch eine Umsatzsteuerpflicht bestehen. Grundsätzlich sei aufgrund des Fehlverhaltens, das zur Zollschuld in Deutschland geführt habe, anzunehmen, dass die Gegenstände dort in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt seien. Diese Vermutung könne widerlegt werden, wenn nachgewiesen werde, dass der Gegenstand trotz des Fehlverhaltens im Gebiet eines anderen Mitgliedstaates, in dem dieser zum Verbrauch bestimmt gewesen sei, in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt sei. Dann würde der Tatbestand der Einfuhrumsatzsteuer nur dort (hier: Griechenland) eintreten.

Hinweis: Sofern die Zollverwaltung bei Verstößen gegen die Zollvorschriften auch Einfuhrumsatzsteuer erhebt, sollte daher stets geprüft werden, ob die Waren tatsächlich in Deutschland in den Wirtschaftskreislauf der EU gelangt sind, also eine mehrwertsteuerrechtliche Einfuhr stattgefunden hat. Das Urteil betrifft grundsätzlich alle Unternehmen, die Waren aus Drittländern beziehen. Von besonderer wirtschaftlicher Bedeutung ist es für Schuldner der Einfuhrabgaben, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug hinsichtlich der eingeführten Waren berechtigt sind. Für sie stellt die Einfuhrumsatzsteuer eine endgültige Kostenbelastung dar.

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