Müssen die aufgrund einer Behinderung entstehenden Mehrkosten einer Urlaubsreise erstattet werden, wenn der Krankenhausbetreiber wegen eines durch Behandlungsfehler bei der Geburtshilfe verursachten Geburtsschadens zur Übernahme aller Pflege- und Betreuungskosten verpflichtet ist? Oder sind diese Mehrkosten bereits durch das Schmerzensgeld des Geschädigten abgegolten? Das musste der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden.
1988 kam es bei einer Geburt zu fehlerhaften medizinischen Behandlungen, wodurch das Kind eine schwere Behinderung erlitt. In der Folgezeit wurde mit der Krankenhausbetreiberin ein Vergleich geschlossen, der Schadensersatz- und Schmerzensgeldzahlungen detailliert regelte. Unter anderem verpflichtete sich die Krankenhausbetreiberin zur Übernahme von Pflege- und Betreuungskosten, soweit sie medizinisch notwendig waren. 2014 reiste die Geschädigte mit drei Betreuungspersonen (ihren Eltern und einer weiteren Person) für eine Woche in ein für die Bedürfnisse schwerbehinderter Menschen spezialisiertes Hotel auf Gran Canaria.
Die Mitnahme von drei Betreuungspersonen war erforderlich, da die Geschädigte einer Rundumbetreuung bedurfte. Die durch die Behinderung entstandenen Mehrkosten verlangte die Geschädigte von der Krankenhausbetreiberin, was diese verweigerte. Die Urlaubsreise sei medizinisch nicht notwendig gewesen. Zudem seien die Mehrkosten durch das Schmerzensgeld abgegolten. Die Geschädigte sah dies anders und erhob Klage.
Sowohl das Amtsgericht als auch das Landgericht Kassel (LG) gaben der Klage statt. Der BGH bejahte letztinstanzlich ebenfalls den Anspruch auf Ersatz der behinderungsbedingten Mehrkosten. Es sei nicht zu beanstanden, dass das LG die der Klägerin aufgrund ihrer Behinderung entstandenen Mehrkosten für die Urlaubsreise als zu erstattende Pflege- und Betreuungskosten gemäß dem Vergleich angesehen habe. Es sei nicht erforderlich, dass die Urlaubsreise selbst medizinisch notwendig ist. Die Mehrkosten seien nicht durch das Schmerzensgeld abgegolten. Der Ersatz der Mehrkosten bewirke keinen Ausgleich dafür, dass die Klägerin ihre Urlaubsreise aufgrund ihrer Behinderung nicht so genießen und erleben könne wie ein gesunder Mensch.
BGH , Urt. v. 10.03.2020 – VI ZR 316/19