Gesamtheit der Pflichtverstöße entscheidet

Täuschung über Organisation und Struktur einer überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaft

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
09 Juni 2020

Ob es für eine Zulassungsentziehung unbeachtlich ist, dass dieselben Pflichtverletzungen bereits Gegenstand von Disziplinarmaßnahmen waren, musste das Sozialgericht Potsdam (SG) im nachfolgenden Fall entscheiden.

 

Der seit 1991 zugelassene Vertragszahnarzt (VZA) war von Juli 2008 bis Juni 2015 nacheinander wechselnd Mitglied in neun überörtlichen Berufsausübungsgemeinschaften (üBAG). Die Kassenzahnärztliche Vereinigung (KZV) beantragte im Februar 2016 die Entziehung der Zulassung.

 

Der VZA habe insbesondere die Genehmigungen des Zulassungsausschusses zum Zusammenschluss zu einer üBAG durch arglistige Täuschungen erwirkt und vertragszahnärztliche Leistungen nicht genau abgerechnet. Ferner habe er seine Mitarbeiter angewiesen, Leistungen entgegen dem Wirtschaftlichkeitsgebot und zu Lasten der Patienten sowie der Krankenkassen zu erbringen, um wirtschaftliche Vorteile zu generieren. Der Zulassungsausschuss habe mit Beschlüssen vom 02.09.2015 festgestellt, dass die Genehmigungen der üBAG rechtswidrig gewesen seien. Nicht alle Gesellschafter hätten ihre vertragszahnärztliche Tätigkeit in freier Praxis ausgeübt (verdeckte Anstellungsverhältnisse). Der Zulassungsausschuss entzog dem VZA aufgrund dieser Verstöße die Zulassung, der Widerspruch dagegen blieb erfolglos. Auch das SG wies die Klage ab.

 

Einen zulassungsentziehenden rechtfertigenden Grund stellt die grobe Pflichtverletzung dar, wenn keine durchgehend freiberufliche Tätigkeit aller Mitglieder einer üBAG nach Organisation und Struktur vorliegt und nach den Gesellschaftsverträgen nicht durchgehend eine Beteiligung aller am wirtschaftlichen Risiko, mithin eine Beteiligung am Gewinn und Verlust gegeben ist. Mit Vorgaben des geschäftsführenden Zahnarztes zum zeitlichen und örtlichen Einsatz einzelner Mitglieder der üBAG und zur Erstellung von Heil- und Kostenplänen werde massiv in die freiberufliche Tätigkeit der anderen Zahnärzte eingegriffen. Dies führe dazu, dass hier nicht von einer Tätigkeit in freier Praxis als unabdingbarer Voraussetzung einer üBAG ausgegangen werden könne.

 

Hinweis: Für die Zulassungsentziehung ist es nicht relevant, ob tatsächlich eine Täuschung des Zulassungsausschusses durch den VZA vorgelegen hat. Es muss zudem nicht jede einzelne Pflichtverletzung als gröblich bewertet werden. Entscheidungserheblich ist allerdings, dass die Pflichtverletzungen in ihrer Gesamtheit so gravierend sind, dass dadurch das Vertrauen der KZV und auch der Krankenkasse nachhaltig gestört ist.

 

SG Potsdam, Urt. v. 20.11.2019 – S 1 KA 20/17

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