Ein selbständiger Apotheker darf die Abgabe der „Pille danach“ nicht aus Gewissensgründen verweigern, entschied das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG). Der Apotheker im Besprechungsfall, der wiederholt die Abgabe dieses Notfallverhütungsmittels verweigerte und es in seiner Apotheke nicht vorrätig hielt, hatte sich auf sein Gewissen berufen. Er argumentierte, dass die Abgabe der „Pille danach“ eine Beteiligung an der Tötung bereits entstandenen Lebens bedeute, was er mit seinem Gewissen nicht vereinbaren könne.
Die Apothekerkammer Berlin hatte daraufhin ein berufsgerichtliches Verfahren gegen den Apotheker eingeleitet. Das Berufsobergericht für Heilberufe beim OVG entschied, dass der selbständige Pharmazeut mit seiner Apotheke dem gesetzlichen Versorgungsauftrag mit Arzneimitteln nachkommen müsse. Die „Pille danach“ sei ein apothekenpflichtiges Arzneimittel, dessen Abgabe der Apotheker nicht aus Gewissensgründen verweigern dürfe.
Das Gericht betonte, dass die grundgesetzlich geschützte Gewissensfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) einen ernsthaften Gewissenskonflikt voraussetze, dem man sich nicht auf zumutbare Weise entziehen könne. Wer sich jedoch zur Führung einer öffentlichen Apotheke entscheide, müsse die umfassende Versorgung gewährleisten. Andernfalls sei sogar das Aufgeben der Selbständigkeit zumutbar. Es gebe für Pharmazeuten berufliche Alternativen, in denen dieser Gewissenskonflikt nicht bestehe.
Der Apotheker hat nun die Möglichkeit, vor dem Bundesverwaltungsgericht Revision einzulegen und gegebenenfalls eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung der Gewissensfreiheit und der Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu erhebenn.
Hinweis: In der Entscheidung des OVG wird zudem auf die hohe Bedeutung der Gewissensfreiheit in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verwiesen. So hatte das Bundesarbeitsgericht einem Mitarbeiter eines Pharmaunternehmens aus Gewissensgründen das Recht zugesprochen, die Entwicklung von Medikamenten zur Behandlung von Nuklearkriegsfolgen zu verweigern.