Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin können regelmäßig umsatzsteuerfrei erbracht werden. Nach einem neuen Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) lassen sich unter diese Steuerbefreiung auch die Umsätze aus der verlängerten Lagerung von eingefrorenen Eizellen fassen, die eine Kinderwunschpraxis erbringt. Im Urteilsfall hatten Patienten mit der Diagnose „Unfruchtbarkeit“ bei der Praxis zunächst als erstes Leistungsbündel die Entnahme von Eizellen samt Befruchtung, Einfrierung sowie Lagerung für zwei Jahre „buchen“ können. Das Finanzamt hatte diese Leistungen als umsatzsteuerfreie Heilbehandlungen anerkannt. Strittig war jedoch, ob auch die Umsätze aus der verlängerten Lagerung der Eizellen umsatzsteuerfrei belassen werden konnten. Zum Hintergrund: Vor Ablauf der zweijährigen Lagerzeit hatte die Praxis bei ihren Patienten nachgefragt, ob das gelagerte Erbmaterial vernichtet oder gegen ein zusätzliches Entgelt für ein weiteres Jahr eingelagert werden soll. Das Finanzamt sah die Umsätze aus der verlängerten Lagerung nicht als steuerfreie Heilbehandlungsleistungen an.
Der BFH urteilte jedoch, dass auch die Umsätze aus der Vertragsverlängerung umsatzsteuerfrei waren. Die Vorinstanz hatte nach Ansicht der Bundesrichter zu Recht festgestellt, dass die verlängerte Lagerung nur erfolgte, wenn eine organisch bedingte Sterilität bei einem der Partner mit Kinderwunsch bestand, so dass die Lagerung der Eizellen über den Zeitpunkt der erstmaligen Schwangerschaft hinaus dazu diente, eine weitere Schwangerschaft herbeizuführen. Der für die Steuerfreiheit erforderliche therapeutische Zweck bestand somit auch bei der verlängerten Lagerung fort. Die organisch bedingte Sterilität ist eine Krankheit, zu deren Linderung die Lagerung von befruchteten Eizellen medizinisch möglich und geboten ist.
Hinweis: Abzugrenzen vom Urteilsfall ist das sogenannte „social freezing“, bei dem Eizellen oder Spermien ohne medizinischen Anlass eingefroren werden. Diese Leistungen dürfen nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht steuerfrei belassen werden.
Fundstelle/n:
BFH, Urt. v. 29.07.2015 – XI R 23/13; www.bundesfinanzhof.de