Bei suizidgefährdeten Patienten kann auch die Inkaufnahme des Risikos einer Selbstschädigung therapeutisch geboten sein. Dass der Patient Suizidgedanken äußert, erlaubt daher für sich genommen noch nicht den Schluss auf einen Behandlungsfehler - auch wenn er im Anschluss hieran einen Suizidversuch unternimmt. Das belegt auch die aktuelle Rechtsprechung des Oberlandesgericht Dresden (OLG).
Geklagt hatte der Sohn des infolge eines Suizids gestorbenen Patienten. Der Patient befand sich unmittelbar vor seinem Suizid wegen einer depressiven Störung in ärztlicher Behandlung. Wegen akuter Suizidgedanken wurde eine Ausgangssperre verhängt, bis der Patient angab, dass er sich von diesen Gedanken distanziert habe. Dann gab er seinen Entlassungswunsch an und wurde auch entlassen. Am selben Abend verübte er Suizid. Der Sohn berief sich auf die seiner Meinung nach fehlerhafte Behandlung und verlangte Schadensersatz. Seiner Ansicht nach hätten die behandelnden Ärzte die akute Selbstgefährdung zum Entlassungszeitpunkt nicht erkannt und den Patienten nicht entlassen dürfen.
Das OLG wies die Klage ab. Die Auffassung des Klägers verkenne, dass bei suizidgefährdeten Patienten die Inkaufnahme von Risiken - auch des Risikos der Selbstschädigung - therapeutisch notwendig sein könne. Da es zur Therapie suizidgefährdeter Patienten gehöre, ihre Eigenverantwortlichkeit zu stärken und ihre Selbstbestimmung nicht durch überzogene Sicherungsmaßnahmen einzuengen, könne auch bei der Äußerung von Suizidgedanken die medikamentöse Behandlung im Zusammenspiel mit anderen therapeutischen Maßnahmen dem psychiatrischen Fachstandard genügen, selbst wenn weitergehende Sicherungsmaßnahmen unterblieben.