Nachbesetzung von Arztstellen in MVZ

Neue Rechtslage durch BSG-Urteile: Nachbesetzung bei Verzicht auf Vertragsarztzulassung erst nach 3 Jahren Tätigkeit

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
03 Jan. 2017

Die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ kann nur dann und nur insoweit erfolgen, wie der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im MVZ tätig geworden ist. Das BSG entschied für die Fälle, dass ein Vertragsarzt, der auf seine Zulassung zugunsten einer Anstellung in einem MVZ in einem Planungsbereich mit Zulassungsbeschränkungen verzichtet, diese Tätigkeit grundsätzlich drei Jahre ausüben muss, damit das MVZ die Stelle anschließend mit einem Dritten besetzen kann.

Sachverhalt: Der HNO-Arzt Dr. O. verzichtete im September 2009 auf seine (volle) Zulassung, um bei dem klagenden MVZ als angestellter Arzt mit einem Tätigkeitsumfang von 23,5 Wochenstunden (Dreiviertel-Stelle im Sinne der Bedarfsplanungs-Richtlinie) tätig zu werden. Etwa 1,5 Jahre nachdem Dr. O. auf seine Zulassung verzichtet hatte, schied er aus dem MVZ aus. Die Stelle wurde in einem ersten Schritt mit einer Viertel-Stelle nachbesetzt. Zur weiteren Nachbesetzung beantragte die Klägerin die Genehmigung zur Anstellung im Umfang einer Dreiviertel-Stelle. Der Zulassungsausschuss erteilte dem MVZ daraufhin die Genehmigung zur Anstellung im Umfang lediglich einer halben Stelle. Im Übrigen lehnte er den Antrag ab.

Dazu entschied das BSG: Die Nachbesetzung der Stelle in einem MVZ kann nur dann und nur insoweit erfolgen, wie der Vertragsarzt tatsächlich als angestellter Arzt im MVZ tätig geworden ist. Damit wird auch verhindert, dass die Entscheidungen, die die Zulassungsgremien bei der Nachbesetzung im Falle der Beendigung der vertragsärztlichen Tätigkeit zu treffen haben, umgangen werden, indem ein Arzt zwar zunächst erklärt, auf seine Zulassung zu verzichten, "um in einem MVZ tätig zu werden", die Tätigkeit dort tatsächlich aber nicht antritt, um dem MVZ sogleich die "Nachbesetzung" durch einen selbst gewählten Angestellten zu ermöglichen. Die zu fordernde Absicht des (ehemaligen) Vertragsarztes, im MVZ tätig zu werden, wird sich - wie das BSG für die Zukunft klarstellt - grundsätzlich auf eine Tätigkeitsdauer im MVZ von drei Jahren beziehen müssen, wobei die schrittweise Reduzierung des Tätigkeitsumfangs um eine Viertel-Stelle in Abständen von einem Jahr unschädlich ist. Bereits bestandskräftig erteilte Anstellungsgenehmigungen bleiben davon unberührt und können auch Grundlage einer späteren Stellennachbesetzung werden.

Quelle: BSG, Urt. v. 04.05.2016 - B 6 KA 21/15 R

 

Auch in einem weiteren Verfahren steht zwischen den Beteiligten die Nachbesetzung einer Viertel-Arztstelle im Streit:

Viertel-Arztstellen in einem MVZ dürfen nach einem Urteil des BSG nicht mehr unbegrenzt offen gehalten werden. Nach Ansicht der Richter kann nicht ausgeschlossen werden, dass durch größere MVZ oder durch die Kumulation von Viertelstellen mehrerer MVZ Beschäftigungskontingente doch in einem für die Entsperrung eines Planungsbereichs relevanten Umfang "gebunkert" werden. Aus diesem Grund verliert ein MVZ sein Nachbesetzungsrecht, wenn es über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr überhaupt keine ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung eine Viertel-Stelle unternimmt und nicht belegen kann, dass und weshalb trotz des Ablaufs eines Jahres zeitnah noch mit einer Nachbesetzung mit diesem Beschäftigungsumfang gerechnet werden kann.

Sachverhalt: Zum 01.04.2007 verzichtete Dr. P., der bis dahin als Vertragsarzt in eigener Praxis tätig war, auf seine Zulassung, um bei der Klägerin mit 40 Wochenstunden angestellt zu werden. Zum 01.04.2010 reduzierte er seine Tätigkeit auf 30 Stunden und zum 01.10.2011 auf 20 Stunden. Schließlich beendete er seine Tätigkeit zum 30.09.2012 ganz. Bei der ersten Reduzierung von 40 auf 30 Wochenstunden sowie bei der Beendigung der Tätigkeit von Dr. P. hat der Zulassungsausschuss die Genehmigung zur Nachbesetzung erteilt. Bei der zweiten Reduzierung des Dr. P. von 30 auf 20 Wochenstunden hat der Zulassungsausschuss die Genehmigung hingegen nicht erteilt. Die Klägerin hatte zur Nachbesetzung dieses Arztstellenanteils am 23.01.2011 zunächst einen Antrag auf Genehmigung der Anstellung von Frau T. im Umfang von 10 Wochenstunden gestellt. Diesen Antrag nahm die Klägerin im September 2012 mit dem Hinweis zurück, die Nachbesetzung mit Frau T. scheitere aus formellen Gründen. Gleichzeitig beantragte sie, die Erhöhung des Tätigkeitsumfangs des bereits bei ihr beschäftigten Dr. F. von 10 auf 20 Wochenstunden zu genehmigen. Den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung dieses Antrags wies der Beklagte zurück.

 

Das BSG entschied: Die Klägerin hat einen Anspruch auf Genehmigung der Erhöhung des Beschäftigungsumfangs des bei ihr tätigen Dr. F. im Umfang einer Viertelstelle, denn die Voraussetzungen für eine Nachbesetzung im Umfang einer Viertelstelle lagen vor. Insbesondere hat die Klägerin den Antrag rechtzeitig gestellt. Die Frist von sechs Monaten für die Nachbesetzung von Arztstellen ist zwar nicht eingehalten worden, muss aber nach der bisherigen Rechtsprechung des BSG bei der Nachbesetzung von lediglich Viertel-Arztstellen auch nicht beachtet werden.

Zwar verliert ein MVZ sein Nachbesetzungsrecht, wenn es über einen Zeitraum von mehr als einem Jahr überhaupt keine ernsthaften und aussichtsreichen Bemühungen zur Nachbesetzung eine Viertel-Stelle unternimmt und nicht belegen kann, dass und weshalb trotz des Ablaufs eines Jahres zeitnah noch mit einer Nachbesetzung mit diesem Beschäftigungsumfang gerechnet werden kann. Aber auch unter Beachtung dieser modifizierten Rechtsprechungsgrundsätze liegen die Voraussetzungen für die Genehmigung der Anstellung des Dr. F. im Umfang eines weiteren Viertels vor. Denn die Klägerin hat den Antrag auf Erhöhung des Beschäftigungsumfangs von Dr. F. innerhalb eines Jahres nach der zweiten Reduzierung des Beschäftigungsumfangs von Dr. P. gestellt.

Hinweise: Das Urteil gilt für MVZ wie auch für Berufsausübungsgemeinschaften (BAG), Einzelpraxen (EP) etc., da die Rechtsgrundlage die gleiche ist. Drei Jahre resultieren aus der aktuellen gesetzlichen Regelung des § 103 Abs. 3a SGB V.

 

Quelle: BSG, Urt. v. 04.05.2016 - B 6 KA 28/15 R

Achtung: Die Urteile finden Anwendung in allen Fällen, die durch Zulassungsausschüsse noch nicht genehmigt sind. Was genehmigt ist wird so vollzogen wie geplant. Medizinrechtler haben zurzeit zahlreiche anhängige Beratungsfälle, in denen Sie aktiv eingreifen mussten, da die drei Jahre (natürlich) nicht vorgesehen waren.

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