Nachzahlungszinsen

BFH zweifelt an Verfassungsmäßigkeit des 6%igen Zinssatzes

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
08 Aug. 2018

Steuernachzahlungen müssen mit einem gesetzlichen Zinssatz von 6 % pro Jahr (0,5 % pro Monat) verzinst werden; der Zinslauf beginnt 15 Monate nach Ablauf des jeweiligen Steuerjahres (für 2017 beispielsweise ab dem 01.04.2019).

Hinweis: Durch diese Vollverzinsung will der Fiskus mögliche Liquiditätsvorteile abschöpfen, die dem Steuerzahler durch eine späte Steuerfestsetzung entstehen.

Der Bundesfinanzhof (BFH) hat nun in einem Verfahren über die Aussetzung der Vollziehung (AdV) entschieden, dass der Zinssatz von 6 % ab dem Jahr 2015 schwerwiegenden verfassungsrechtlichen Zweifeln unterliegt. Mit diesem vielbeachteten Beschluss erhielt ein Ehepaar aus Nordrhein-Westfalen recht, das nach einer Außenprüfung eine Einkommensteuer von 1,98 Mio. € nachzahlen sollte. Da die Steuerzahlung ein Altjahr betraf, forderte das Finanzamt zudem Nachzahlungszinsen von 240.831 € ein. Der BFH setzte die Vollziehung des Zinsbescheides nun in vollem Umfang aus, so dass das Ehepaar die Zinsen vorerst nicht zahlen musste.

In seiner Entscheidung kritisierte der BFH die realitätsferne Bemessung des Zinssatzes und sah darin eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes. Da sich mittlerweile ein niedriges Marktzinsniveau verfestigt habe, überschreite der gesetzliche Zinssatz den angemessenen Rahmen der wirtschaftlichen Realität in erheblichem Maße. Der BFH zweifelt daran, dass der Zinssatz in Einklang mit dem sogenannten Übermaßverbot steht, da die Höhe des gesetzlichen Zinssatzes in Zeiten des Niedrigzinsniveaus wie ein rechtsgrundloser Zuschlag auf die Steuerfestsetzung wirkt.

Hinweis: Da der Beschluss lediglich die AdV betraf, musste der BFH nur eine summarische Prüfung der Streitfrage vornehmen. Eine abschließende Klärung kann von mehreren Verfahren erwartet werden, die derzeit noch beim BFH und dem Bundesverfassungsgericht anhängig sind. Gleichwohl lassen sich aus der AdV-Entscheidung bereits wichtige Begründungsstränge für gleichgelagerte Fälle ableiten. Für Steuerzahler verbessern sich damit die Chancen, für Zeiträume ab 2015 eine AdV von Zinsbescheiden zu erreichen.

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