Praxisnachfolge

Gewichtung der Kriterien in einer Vertragsarztpraxis

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
10 Sept. 2019

Im Rahmen einer Auswahlentscheidung zur Nachbesetzung wird die Dauer der Berufserfahrung nicht bereits ab der Approbation berechnet, sondern erst ab dem erfolgreichen Abschluss der Facharztweiterbildung. Dass jedoch auch andere Kriterien (z.B. Praxisfortführung am Standort) für die Auswahl eines Nachfolgers entscheidend sein können, zeigt folgender Fall vor dem Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen (LSG).

 

Im Urteilsfall ging es um die Nachbesetzung einer Vertragsarztpraxis. Durch Beschluss vom 21.05.2014 ließ der Zulassungsausschuss den Beklagten als Nachfolger mit Wirkung zum 01.07.2014 zur vertragsärztlichen Versorgung zu und lehnte die Anträge der Klägerin und eines weiteren Arztes ab. Alle Bewerber erfüllten die gesetzlichen Auswahlkriterien in gleicher Weise, so dass letztlich entscheidend war, wie lange die Bewerber in der Warteliste standen. Hier könne der ausgewählte Arzt (Beklagter) die längste Eintragungsdauer vorweisen. Hinzu komme, dass er prognostisch eine deutlich längere Gewähr für die andauernde und kontinuierliche Patientenversorgung biete.

 

Die Klägerin wehrte sich gegen die vermeintliche Bevorzugung ihres Mitbewerbers als Praxisnachfolger, da sie beruflich besser geeignet sei und über mehr Berufserfahrung verfüge.

 

Das sah das LSG anders: Ziel der Ausschreibung eines frei gewordenen Vertragsarztsitzes und dessen Nachbesetzung sei die „Fortführung“ der Praxis - hier eine Einzelpraxis - und zudem eine kontinuierliche Versorgung der Versicherten im gewohnten Umfeld. Das könne der Beklagte bieten. Er habe bei Kooperationspartnern des verstorbenen Arztes hospitiert und die Operateure hätten sich für ihn als Nachfolger ausgesprochen. Ähnliche ernsthafte Bemühungen habe es seitens der Klägerin nicht gegeben. Sie habe lediglich mehrfach bekräftigt, den Kaufpreis für die Praxis „in Höhe des Verkehrswertes“ zahlen zu wollen.

 

Hinweis: Schließlich weist das LSG darauf hin, dass eine Bevorzugung von Bewerbern mit abgeschlossenem Praxisübernahmevertrag nach dem Gesetz nicht in Betracht kommt. Tatsächlich können die Anzahl der gemeinsamen OP-Tage, die Höhe der damit für die Praxis generierten Einnahmen, die Gesamtzahl der OP-Tage mit Kooperationspartnern und die dadurch insgesamt erzielten Einnahmen eine Rolle spielen.

 

LSG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 19.12.2018 – L 11 KA 86/16, rkr.

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