Regelmäßig hebt der Europäische Gerichtshof (EuGH) belehrend den Zeigefinger, wenn der deutsche Gesetzgeber eine Vergünstigung nur auf Deutschland beschränkt und dabei das europäische Ausland außer Betracht lässt. So geschehen im Jahr 2007, als sich der EuGH die damaligen nationalen Regelungen zum Schulgeldabzug vorknöpfte, wonach nur Zahlungen an deutsche Privatschulen als Sonderausgaben abziehbar waren. Damals entschieden die Europarichter, dass eine solche Regelung gegen die Dienstleistungsfreiheit verstößt.
Der deutsche Gesetzgeber besserte daraufhin mit dem Jahressteuergesetz 2009 nach und ließ fortan Schulgeldzahlungen an Privatschulen innerhalb der gesamten Europäischen Union bzw. des Europäischen Wirtschaftsraums zum Abzug zu (mit 30 % der Kosten, maximal 5.000 € pro Jahr).
Die Spätfolgen dieser europäischen Öffnung beschäftigten den Bundesfinanzhof (BFH) nun in einem Fall, in dem Eltern bereits im Jahr 1997 vor dem BFH vergeblich versucht hatten, Schulgeld an eine Privatschule in Großbritannien abzuziehen. Der BFH hatte damals das klageabweisende Urteil des Finanzgerichts bestätigt, ohne die Sache dem EuGH vorzulegen. Nachdem sich der EuGH zehn Jahre später (in einem anderen Fall) für die europäische Öffnung der Abzugsregeln ausgesprochen hatte, griffen die Eheleute die damalige Streitsache erneut auf und forderten vom Finanzamt einen Billigkeitserlass der Einkommensteuer, die auf der Aberkennung der Schulgeldzahlungen beruhte. Der BFH lehnte dies jedoch ab. Nach dem Urteil besteht keine grundsätzliche Verpflichtung, eine unionsrechtswidrige, aber rechtskräftige Entscheidung aufzuheben, selbst wenn das Gericht damals die Vorlagepflicht verletzt hatte. Die Mitgliedsstaaten haften bei unionsrechtswidrigen Urteilen nur dann, wenn das Unionsrecht offenkundig verletzt wurde. Hiervon ging der BFH vorliegend aber nicht aus.