Leidet ein Kind an Legasthenie oder einer anderen Behinderung, können Eltern die Kosten für dessen medizinisch erforderliche auswärtige Unterbringung als außergewöhnliche Belastungen abziehen. Ein steuerlicher Abzug setzt nach der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV) aber voraus, dass die Eltern dem Finanzamt ein amts- oder vertrauensärztliches Gutachten vorlegen, das vor Beginn der stationären Unterbringung ausgestellt worden ist (sog. qualifizierter Nachweis).
Eltern aus Niedersachsen streiten mit ihrem Finanzamt momentan darüber, ob ihnen ein Kostenabzug wegen eines fehlenden qualifizierten Nachweises verwehrt werden darf. Dreh- und Angelpunkt des Rechtsstreits ist die Frage, ob ihre Tochter, die wegen einer kombinierten Störung des Sozialverhaltens und der Emotionen vollstationär in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht war, überhaupt an einer „anderen Behinderung“ im Sinne der EStDV leidet, so dass das Finanzamt einen qualifizierten Nachweis fordern darf.
Das Finanzgericht Niedersachsen (FG) hatte einen Kostenabzug zunächst aufgrund eines fehlenden Nachweises abgelehnt, der Bundesfinanzhof (BFH) hat die Entscheidung jedoch aufgehoben. Nach Ansicht der Bundesrichter hatte das FG nicht hinreichend untersucht, ob die Tochter tatsächlich an einer „anderen Behinderung“ im Sinne der EStDV litt. Eine „seelische Behinderung“ setzt nach Auffassung des BFH voraus, dass
Der BFH erklärte, dass das FG den ersten Punkt zwar zu Recht als erfüllt angesehen, die beiden Folgepunkte jedoch nicht hinreichend geprüft hat. Das Finanzgericht muss nun in einem zweiten Rechtsgang nachbessern.
Hinweis: Angesichts der Ausführungen im Urteilssachverhalt scheint es wahrscheinlich, dass das FG bei der Tochter auch einen für ihr Lebensalter untypischen Zustand annehmen und eine Beeinträchtigung des gesellschaftlichen Lebens feststellen wird, so dass eine Behinderung im steuerlichen Sinne vorliegen dürfte. Bei diesem Ergebnis würde ein Kostenabzug mangels eines qualifizierten Nachweises ausscheiden.
Fundstelle/n:
BFH, Urt. v. 18.06.2015 – VI R 31/14; www.bundesfinanzhof.de