Tödliche Erkrankung

Arzneimittelsicherheit hat oberste Priorität

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
08 Aug. 2023

Ein Versicherter mit einer regelmäßig tödlich verlaufenden Krankheit verlangt von seiner Krankenkasse die Versorgung mit einem Arzneimittel, das für seine Indikation nicht zugelassen ist. Das Sozialgericht (SG) und das Landessozialgericht (LSG) kamen zu unterschiedlichen Ergebnissen. Nun hatte das Bundessozialgericht (BSG) darüber zu entscheiden.

Der im Jahr 2004 geborene Kläger leidet an einer genetisch bedingten fortschreitenden und typischerweise im frühen Erwachsenenalter tödlichen Erkrankung: Duchenne-Muskeldystrophie infolge Nonsens-Mutation des Dystrophie-Gens. Er ist seit dem Jahr 2015 gehunfähig. Translarna, so der Name des gewünschten Präparats, ist jedoch nur für gehfähige Patienten zugelassen. Die Krankenkasse lehnte daher die Kostenübernahme für dieses Medikament ab. Anträge des Herstellers bei der Europäischen Arzneimittel-Agentur (EMA) im Juli und im Oktober 2019 führten nicht zur Erweiterung der Zulassung auf nicht mehr gehfähige Patienten.

Das SG hatte die Klage auf Versorgung mit Translarna abgewiesen. Das LSG hingegen verurteilte die Krankenkasse, ihren Versicherten mit Translarna zu versorgen. Anders als die Vorinstanz hat das BSG die abschlägige Entscheidung der Krankenkasse jetzt aber bestätigt. Unerheblich sei, ob die negative Bewertung durch die EMA auf einer aussagekräftigen Studienlage beruhe oder der medizinische Nutzen des Arzneimittels wegen methodischer Probleme bei Auswahl und Analyse der vom Hersteller vorgelegten Daten nicht bestätigt werden könne. Zwar hätten Versicherte, die sich wegen ihrer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung in einer notstandsähnlichen Situation befänden, unter erleichterten Voraussetzungen Anspruch auf Krankenbehandlung. Dies betreffe insbesondere auch Arzneimittel, deren Wirksamkeit medizinisch noch nicht voll belegt sei. Erforderlich sei in diesen Fällen aber, dass eine nicht ganz entfernte Aussicht auf Heilung oder positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf bestehe.

Die Prüfmaßstäbe im Arzneimittelrecht seien hiermit nicht völlig deckungsgleich. Trotzdem könne nach der Rechtsprechung nicht von der erforderlichen Erfolgsaussicht ausgegangen werden, wenn die Arzneimittelbehörde die vom Hersteller vorgelegten Unterlagen im Zulassungsverfahren inhaltlich geprüft, aber negativ bewertet hat. Die Arzneimittelzulassung müsse die Patienten gerade auch bei schweren Erkrankungen vor unkalkulierbaren Risiken schützen.

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