Ob ein Facharzt, der von einem anderen Arzt konsiliarisch hinzugezogen wird, dafür haften muss, wenn der Facharzt seinen Empfehlungen nicht folgt und dem Patienten dadurch eventuell ein Schaden entsteht, musste das Oberlandesgericht Hamm (OLG) im folgenden Fall klären.
Die klagende Patientin kam als Frühgeburt zur Welt, was bei ihr das Risiko einer Frühgeborenen-Retinopathie (ROP) erhöhte. Etwa einen Monat nach der Geburt untersuchten die beklagten niedergelassenen Augenärzte, die konsiliarisch für die ebenfalls beklagte Klinik tätig waren, die Klägerin. Es zeigte sich bei ihr beidseitig eine avaskuläre Netzhaut mit Vaskularisationsgrenze II sowie eine Glaskörpertrübung in Zone III. Weitere engmaschige Untersuchungen folgten. Eine augenärztliche Untersuchung durch einen der Konsiliarärzte zeigte zwar erneut keine ROP, jedoch eine avaskuläre Netzhaut in Zone II. Der Konsiliararzt sprach eine leitliniengetreue Empfehlung zur Kontrolluntersuchung eine Woche später aus. Die Klinikärzte forderten allerdings keine weitere engmaschige Untersuchung bei den Konsiliarärzten an. Diese erfolgte erst drei Wochen später - inzwischen lag eine akute ROP vor, woraufhin die Patientin später weitestgehend ihr Augenlicht verlor. Sie verklagte die Konsiliarärzte daraufhin wegen fehlerhafter Behandlung.
Das OLG wies die Klage gegen die konsiliarisch tätigen Augenärzte ab. Der Konsiliararzt sei an den konkreten Auftrag des überweisenden Arztes gebunden, wenn er tätig werde. Die Behandlungsverantwortung mit der Pflicht vollständiger therapeutischer Aufklärung verbleibe bei dem die Behandlung führenden (überweisenden) Arzt. Empfiehlt der hinzugezogene Augenarzt dem überweisenden Arzt leitliniengerecht eine Wiedervorstellung des Patienten nach einer Woche, könne er erwarten, dass seine Empfehlung auch von der Klinik umgesetzt werde. Der Konsiliararzt müsse die Einhaltung dieser Empfehlung nicht überprüfen.
Hinweis: Die Verantwortung für den Patienten liegt also grundsätzlich beim behandelnden Arzt bzw. bei der behandelnden Klinik. Beide müssen den Behandlungsablauf überwachen und Empfehlungen der konsiliarisch hinzugezogenen Ärzte umsetzen. Wenn sie das nicht tun, haften sie.
OLG Hamm, Urt. v. 30.10.2020 – 26 U 131/19