Vorzeitiger Behandlungsabbruch

Kurklinik darf von Patientin keinen Ersatz verlangen

Eine Ärztin schaut auf ein Tablet
17 Nov. 2020

Ob eine Schadenersatzklausel in einem Behandlungsvertrag zwischen einer Patientin und einer Kurklinik wirksam sein kann, die bei Abbruch der Kur eine Schadenersatzpflicht der Patientin vorsieht, hatte letztinstanzlich der Bundesgerichtshof (BGH) zu entscheiden.

 

Die Planung in einer Kurklinik verlangt Verlässlichkeit. Eine Klinik hat also ein erhebliches Interesse daran, dass Patienten die vereinbarte Kur auch durchführen. Denn bei vorzeitiger Beendigung einer Behandlung kann die Kurklinik die freiwerdenden Behandlungskapazitäten möglicherweise nicht neu besetzen, muss aber laufende Kosten weiterzahlen.

 

Eine Kurklinik in Brandenburg nahm deshalb eine Schadenersatzklausel in die Allgemeinen Geschäftsbedingungen des Behandlungsvertrags für Patientinnen in einer Mutter-Kind-Kur auf, die besagt, dass die Patientin für den Schaden aufkommen muss, wenn sie ohne medizinisch nachgewiesene Notwendigkeit die Abreise vor Beendigung der Maßnahme antritt. Im Urteilsfall unterzeichnete eine Mutter von vier Kindern den Behandlungsvertrag und trat am 28.02.2018 mit ihren Kindern die Kur an, die bis zum 21.03.2018 dauern sollte. Zehn Tage vor dem geplanten Ende der Kur verließ die Mutter jedoch die Klinik. Diese verklagte sie daraufhin auf Schadenersatz in Höhe von rund 3.000 €.

 

Klage sowie Berufung der Klinik blieben ohne Erfolg. Die Klinik legte schließlich Revision vor dem BGH ein. Dieser wies die Revision jedoch als unbegründet zurück. Der Kur-Vertrag sei seinem inhaltlichen Schwerpunkt nach ein Behandlungsvertrag. Behandlungsverträge seien besondere Dienstverhältnisse. Solche Dienste höherer Art könne der Patient jederzeit frei kündigen. Kündige der Patient, habe die Klinik lediglich Anspruch auf eine Vergütung der bis zum Abbruch erbrachten Leistungen.

 

Hinweis: Diese Grundsätze des Dienstvertragsrechts wollte die Schadenersatzklausel der Kurklinik aufhebeln. Das ist den Bundesrichtern zufolge unwirksam. Es verstoße gegen wesentliche Grundgedanken des Dienstvertragsrechts. Patienten seien frei darin, eine Behandlung jederzeit auch ohne Gründe zu beenden. Für Kur- und Rehabilitationskliniken bleibt also nur der Weg, unerwartet frei gewordene Behandlungsplätze schnellstmöglich neu zu vergeben.

 

BGH, Urt. v. 08.10.2020 – III ZR 80/20

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